Eye Movement Desensitization and Reprocessing
EMDR kann zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung und auch von vielen anderen Traumafolgestörungen wirksam eingesetzt werden. Aber auch bei komplett anders gelagerten psychotherapeutischen Belangen ist die Methode hochgradig effektiv. Dies gilt besonders, wenn belastende Lebensereignisse in der Entstehung der Störung eine bedeutsame Rolle spielen. So ist die psychotherapeutische Bearbeitung von starker Trauer nach Verlusterlebnissen und die Minderung von „Belastungsdruck“ bei vielen anderen schwer wiegenden Erinnerungen möglich. Eine besondere Stärke scheint die Methode möglicherweise bei der Bearbeitung gespeicherter "Körpererinnerungen" in Bezug auf früher stattgehabte, belastende Ereignisse aufzuweisen.
Entdeckerin und Entwicklerin der Methode ist Francine Shapiro Ph. D., eine Forscherin am Mental Research Institute in Palo Alto (Kalifornien). Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) fand zuerst Anwendung bei den psychotraumatischen Belastungssyndromen. Kernstück der Methode ist dabei ein auf den ersten Blick ungewöhnlicher Prozess, bei dem der Patient sich auf bestimmte Anteile der nicht ausreichend verarbeiteten Erinnerung konzentriert und gleichzeitig den Fingerbewegungen des Therapeuten mit den Augen folgt. Dadurch scheint im Gehirn ein Informationsverarbeitungsprozess angestoßen zu werden, in dem für viele Patienten durch einfaches Verblassen der Erinnerung oder spontane assoziative Verbindungen eine rasche Entlastung spürbar wird. Auch wenn – wie bei vielen anderen Psychotherapiemethoden – der definitive Wirkmechanismus von EMDR nicht letztlich geklärt ist, scheinen sich die Hinweise auf einen eigenständigen neurobiologischen Mechanismus zu erhärten. Ob es sich dabei um einen den im REM-Schlaf beobachteten Augenbewegungen ähnlichen Prozess oder um ein Aktivieren der sogenannten Orientierungsreaktion handelt, ist zurzeit Gegenstand intensiver Forschung.
Im Modell der adaptiven Informationsverarbeitung (AIP-Modell) wird die Grundlage für die Störung des Patienten, ähnlich wie bei anderen Psychotherapieansätzen, in belastenden Erinnerungen der Vergangenheit gesehen. Zentrale Annahme ist, dass im Gehirn des Menschen grundsätzlich die Möglichkeit angelegt ist, belastende Lebenserfahrung mit Hilfe eines angeborenen Informationsverarbeitungssystems adaptiv zu bearbeiten. Bei einer Störung dieser Verarbeitung, zum Beispiel durch eine traumatische Erfahrung, bleibt diese in ihrer fragmentierten, zustandsspezifischen Form (ohne Verknüpfung zu anderen Komponenten des seinerzeitigen Erlebens) gespeichert. Die Information kann so nicht verarbeitet werden und ist zum Beispiel durch Auslösereize in Teilen aktivierbar. Dies führt zu kognitiven und affektiven Symptomen sowie dysfunktionalem Verhalten: So kann sich ein Überfallopfer durch einen lauten Knall auf der Straße zum Beispiel in die frühere Erfahrung zurückversetzt fühlen und alarmiert Schutz suchen, obwohl es sich Jahre später und in einer sicheren Gegend befindet.
Beim Einsatz der EMDR-Methode wird der Zugang zu genau derjenigen Erinnerung gesucht, die die Pathologie auslöst, um dann, unter anderem durch die bilaterale Stimulation, das adaptive Informationsverarbeitungssystem zu aktivieren, so dass die Erinnerung vom Gehirn nachverarbeitet werden kann - die vorher autonomen Erinnerungsfragmente können so in das künftige Erleben des "biograhischen Lebensfilms" integriert werden.
Dabei werden beim Einsatz der EMDR-Methode weder detaillierte Schilderungen des belastenden Ereignisses noch eine prolongierte Exposition oder eine direkte Infragestellung von Glaubenssätzen notwendig.
Der vorangehende Text basiert vor Allem auf folgenden Quellen: Hase, M. et al.: Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR): Eine ungewöhnliche Form der Psychotherapie. Deutsches Ärzteblatt, PP 12, Ausgabe November 2013, Seite 512 und „Was ist EMDR?“ unter https://www.emdria.de