Die Gruppe der Psychotrauma-Folgestörungen umfasst einen weiten Kreis von psychischen Erkrankungen, bei denen die sogenannte „Posttraumatische Belastungsstörung“ (PTBS) oft als erstes genannt wird, obwohl andere psychische Störungen infolge schwerer psychischer Belastungen in der Summe viel häufiger auftreten (z.B. Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen, Schlafstörungen, Depressionen, Angststörungen, psychosomatische Beschwerden, Suchterkrankungen, dissoziative Störungen und Konversionsstörungen etc.). Die Anerkennung von psychischen Traumafolgestörungen wurde weltweit viele Jahrzehnte lang von den politisch Verantwortlichen verhindert und war außerhalb der spezifischen Fachkreise verpönt. Eine Überforderung der Sozialsysteme durch eine solche Kategorie psychischer Erkrankungen wurde seit Einführung unserer modernen Solidarsysteme befürchtet. So gab es zwar schon im auslaufenden 19ten Jahrhundert internationale wissenschaftliche Diskussionen zu einer aus heutiger Sicht „klassischen“ Traumafolgestörung, der „railway-spine“ und der Berliner Nervenarzt Hermann Oppenheim veröffentlichte 1889 sein über 150-seitiges Buch „Die Traumatischen Neurosen“. Aber auch das massenhafte Auftreten der „Kriegszitterer“ im ersten Weltkrieg (vgl. z.B. „Shell Shock in France 1914-18“ von Charles S. Myers) oder der „Magenbataillone“ im zweiten Weltkrieg führten nicht zur Einführung einer entsprechenden (potenziell entschädigungspflichtigen) Diagnosekategorie in den nationalen und internationalen Klassifikationssystemen psychischer Krankheiten. Erst die Masse an schwer belasteten Vietnamkrieg-Heimkehrern, die in den USA zu einem dann in der Öffentlichkeit nicht mehr zu übersehenden Phänomen in den Veteranenhospitälern wurden, führten über das „Stress Response Syndrom“ (1968) zur erstmaligen Einführung der Diagnose „Posttraumatic Stress Disorder“ in das amerikanische Klassifikationssystem DSM-III R.
In der Folge ergaben sich einerseits diverse maßgebliche wissenschaftliche Forschungen und Erkenntnisse, andererseits wurde mindestens in der öffentlichen Diskussion der „Trauma“-Begriff für meinen Geschmack teilweise deutlich überdehnt „Ich bin echt total traumatisiert, weil…“. So mag es aus meiner Sicht angemessener sein, von „erheblichen psychischen Belastungen“ als Auslöser für psychische Folgesymptome aus der großen Gruppe der oben genannten Kategorie von psychischen Störungen zu sprechen.
Gemeinsame Ursache all dieser Folgestörungen ist eine „schwere“ psychische Belastung, die in den Klassifikationssystemen, z.B. DSM-5 oder ICD-10-/11 näher definiert ist (z.B. „A-Kriterium“ nach DSM-5). Die Dauer der psychischen Belastung, die zu einer Psychotrauma-Folgestörung führt, kann kurz sein („Raubüberfall“), länger oder jahrelang andauern (z.B. „Gewalt-Erleben-Müssen in der Kindheit…) oder „kumulativ“ (in der Summe zu viele belastende Einzelereignisse ohne das Vorliegen einer kontinuierlichen Belastung) ausgeformt sein.
Neben dem „klassischen“ Auslöser einer von Entsetzen („Standbild“, „Eingefroren“) oder Unsäglichkeit geprägten psychischen Belastungssituation werden seit einigen Jahren zurecht auch (erhebliche) moralische Belastungen als Auslöser für Symptome aus der Gruppe der Psychotrauma-Folgestörungen beforscht.
Parallel zu der Zunahme der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den psychischen Traumafolgestörungen wurden etwa seit den 1980er Jahren hoch wirksame, spezifische Psychotherapie-Methoden entwickelt, die es heute sehr wahrscheinlich machen, dass die Symptome der individuell vorliegenden psychische Traumafolgestörung im Verlauf einer Psychotherapie mindestens gelindert und verbessert, oft aber auch sehr deutlich abgemildert werden können. Beispiele für solche Therapieverfahren sind EMDR, Ego-State-Therapie, Ansätze aus der klinischen Hypnose, tiefenpsychologische Verfahren wie etwa die Arbeit mit dem inneren Kind, IRRT, Schematherapie und eine größere Anzahl spezifischer verhaltenstherapeutischer Methoden.
Dabei gelten nach wie vor die klassischen Ablaufschritte: Herstellen einer haltgebenden und vertrauensvollen therapeutischen Beziehung – Stabilisierungsübungen – psychotherapeutische Konfrontation mit der belastenden Erinnerung in angemessen sicherem Rahmen – Reintegration des nun anders bewerteten belastenden Ereignisses in die Kontinuität der „inneren Biographie“ bzw. des „eigenen Lebensfilms“.